Gesunde Hufe
Natürlich geformte Hufe - nur bei Wildpferden ?
Wer hat nicht schon in Naturreportagen das Leben von verwilderten Pferden gesehen. Beeindruckend wie sich Mustangs, Brumbies oder Namibpferde über
unwegsames, steiniges Gelände bewegen - und dabei täglich viele Kilometer zurücklegen.
Wieso sind die Hufe dieser Pferde lebenslänglich so leistungsfähig und robust im Vergleich zu unseren beschlagenen Pferden?
Zwischen "Wildpferde" und unseren Hauspferden gibt es ja keinen Unterschied - Organe und Körperfunktionen sind unverändert.
Offensichtlich unterschiedlich sind die Lebensbedingungen: hier Boxenhaltung mit 1-3 Std. Bewegung pro Tag, - dort Leben unter freiem Himmel bei durchschnittlich 15 Std. Bewegung.
Unterschiedlich auch die Hufe: hier für den Beschlag zugerichtete Hufe, - dort natürlich geformte Barhufe mit enormen Anpassungs- und Leistungsvermögen.
Nichts liegt näher, als sich an den Vorgaben naturgerechter Lebensbedingungen und Hufformen zu orientieren. So kommt der gesunde Barhuf und dessen Pflege sowie insgesamt die pferdegerechte Haltung ins Blickfeld.
Altes Wissen und neue Erkenntnisse
Das Ziel gesunde Pferde und gesunde Hufe scheint nicht ganz einfach zu sein.
Die Realität mit gut gemeinter Boxenhaltung und Hufbeschlag zeigt ein anderes Bild.
Die Zunahme gesundheitlicher Probleme aufgrund sogenannter Zivilisationsschäden wundert da keineswegs.
Um Haltungs- und Beschlagspraxis hinterfragen und verändern zu können, dafür gibt es genügend Anstösse und Wissen:
- aus den Forschungen und Darstellungen zur Verhaltensbiologie, der Ethologie und der Wildpferdeforschung ( u.a. Fraser, Kiley-Worthington, Zeitler-Feicht ).
Nur eine möglichst pferdegerechte Haltung bietet dem Pferd optimale Bedingungen für Gesundheit und Leistungsvermögen. - aus dem Wissen früherer Barhufpraxis ( u.a. Wrangel, Spohr ) und neuerer Hufforschungen (u.a. Bowker, Clark, Jackson, Ovnicek, Pollitt, Ramey, Strasser ).
Barhufe, möglichst natürlich belassen, passen sich der Umwelt optimal an und sind entsprechend leistungsfähig.
Eine pferdegerechtere Haltung wird seit Jahren gefordert und allseits akzeptiert. Das Gleiche sollte auch für Hufe, die ohne Beschlag auskommen, gelten. Die Forschung und das Wissen dazu gibt es zumindest.
Die etwas andere Hufform
Gesunde Barhufe - ob bei Wildpferden oder bei unseren Hauspferden - sehen im Vergleich zu beschlagenen Hufen anders aus.
Wer sich mit Barhufe beschäftigt, wird seinen gewohnten Blick verändern. Und erstaunt zu einem neuen Hufbild kommen - sowie zu einem neuen Verständnis.
Vergleicht man als Einstieg Fotos von Wildpferdehufe mit dem gewohnten Hufbild, lässt sich gut sehen, wie anders Naturhufe sind.
Beispiele sind unter anderem zu finden bei
barefoothorse.com ,
hoofrehab.com,
TribeEquus .
Im Buch " The Natural Horse" von Jaime Jackson werden z.B.
die Hufe von Mustangs ausführlich beschrieben und interpretiert.
Eine kurze Beschreibung von Mustanghufen findet sich bei naturhufpflege.com.
Wer nach einem idealen "Musterhuf" sucht, wird enttäuscht sein. Den "Naturhuf" gibt es nicht - Hufe sehen sehr individuell aus, da sie sehr anpassungsfähig sind. Es lassen sich aber einige wichtige Verallgemeinerungen hervorheben:
- Hufform symmetrisch, Wände ohne Verbiegungen
- die hintere Hufhälfte ist gut ausgebildet und flächenmäßig der größte Bereich
- Trachten, Ballen und Strahl sind kräftig, befinden sich auf einer Ebene, mit direkten Bodenkontakt
- kurze Trachten, die Zehenlänge entsprechend, mit gutem Abrollbereich
- allseits gute Hornqualität und -dicke, Sohle ausreichend gewölbt
Können Wildpferdehufe ein Modell für gesunde Barhufe sein? Wie anders sehen Hufform und -qualität aus? Gibt es ein einziges, gar das Modell für Barhufe?
Diese Fragen und mehr werden im Artikel The Wild Horse, A Model for Trimming?
von Yvonne Weltz dargelegt.
Auffallend neben dem "etwas anderen Aussehen" ist auch die andere Fußung des gesunden Barhufes. Bei ausgeprägter hinteren Hufhälfte zeigt sich eine leichte Trachtenfußung. Was z.B. aus neurobiologischer Sicht auch Sinn macht.
Huffunktionen und Physiologie
Barhufe sind so konstruiert, das sie sich optimal an ihre Umgebung anpassen.
Als "nachwachsender Laufschuh" ( die äußeren Teile des Hufs sind bereits "Schuh" ) bietet der Huf Sicherheit und Schutz auf jedem Untergrund. Der Tastsinn mittels sensorischer Nerven ist dabei unerläßlich.
Als "Basisfundament" des Pferdes besitzt der Huf besondere Fähigkeiten der effektive Stoßdämpfung. Eine optimale Blutzirkulation im Huf scheint eine wichtige Rolle zu spielen. Nur bei einem gut ausgeprägtem Gefäßsystem kommt der Dämpfungseffekt zustande. Vergleichbar den Dämpfungselementen (Gel-/oder Luftkammern) bei einem Sportschuh.
Der Huf als Hautanhangsorgan ist mit der Hornproduktion zusätzlich ein Ausscheidungsorgan im Stoffwechselprozess - wie die Haut, Leber und Niere.
Nur bei natürlicher, nicht eingezwängter Hufform können sich innere Strukturen und die damit verbundenen Funktionen gut entwickeln. Deformierte, anomale oder durch Beschlag veränderte Hufformen zeigen immer auch eine eingeschränkte Hufphysiologie.
Der Naturhuf ist außerdem ein wichtiger Grenzwertgeber, der sich bei zu hoher Leistungsanforderung schnell meldet. Bevor andere Körperteile geschädigt werden.
Hufe und Pferdegesundheit
Ernährungs- /Stoffwechselprobleme wie Insulinresistenzen können zu massiven Hufproblemen wie Hufrehe führen. Andererseits können Hufprobleme direkt oder indirekt zu vielfältigen und ebenso massiven Problemen des Körper führen ( siehe unten ).
Die wechselseitigen Zusammenhänge zwischen Hufe und Körper kann nicht verwundern. Als überlebenswichtige, sensible Organe sind Hufe mit dem gesamten Körper verbunden:
- über das knöcherne Skelett und den Gelenken, Bändern, Sehnen und Muskeln
- über die Blutgefässe und das Blut selbst, dem Blutkreislauf
- über die Nerven mit dem Zentralnervensystem
- über die Energiebahnen - Meridiane genannt - mit dem Energiesystem des Körpers
Aufgrund der Zusammenhänge und Wechselwirkungen lassen sich Hufprobleme kaum isoliert betrachten. Sie äussern sich zum Beispiel als:
- Gliedmassenproblemen (Fehlstellungen, Arthrose, Spat,..)
- Muskelverspannungen (sichtbar als verhärtete Muskelstränge/-bäuche an Schulter, Hals, Nacken, Hinterhand)
- Rückenprobleme, Verschiebungen von Wirbeln und Gelenkblockaden
- Stoffwechselproblemen (Anreicherung von Abfallstoffen im Blut, abweichende Betriebstemperatur )
- Überlastungen von Niere, Leber oder Haut, sichtbar als Ekzem, Mauke, ...
- Überlastungen des Herzens ( fehlende Unterstützung des Blutkreislaufes / der Herztätigkeit )
Es kann daher sehr hilfreich sein, wenn man sich bei o.g. Problemen die Hufsituation genauer anschaut.
Hufe und Haltungsbedingungen
Ob Hufe gesund sind, ist nicht nur abhängig vom Pferd an sich. Der Einfluss der Haltungsbedingungen ist bedeutend.
Hufe verändern sich ein Leben lang und sind ein Ergebnis von Anpassung an die Anforderungen und die Belastungsvielfalt der Umgebung.
Der Huf macht da gegenüber dem Körper keine Ausnahme.
Bei vielen Bewegungsmöglichkeiten von Geburt an, auf verschiedensten Böden und mit genügend Gegendruck, werden Hufe stimuliert und entsprechend gekräftigt.
Das Ergebnis werden gute, widerstandfähige Hufe sein.
Solche Hufe bilden u.a. in der hinteren Hufhälfte ein gut verzweigtes Kapillarsystem, einen kräftigen Ballen und Strahl mit elastischen Fasern sowie dicke Hufknorpeln.
Stoßdämpfung und Blutversorgung können physiologisch optimal funktionieren.
Wichtig u.a. ist, dass der Huf direkten Bodenkontakt hat und natürlich Auf- und Abfußen kann. Was bei einem Huf mit Beschlag nicht gegeben ist.
Haltungsmängel wie zu wenig Bewegung auf evtl. nur einseitig weichem Boden stellt ein großes Problem für die Hufentwicklung dar - vorallem in den frühen Lebensjahren.
Die Forderung in der Tierhaltung allgemein geht seit langem in Richtung mehr tiergerechte Haltung. Das ist auch für Pferde die Grundvoraussetzung für ein gesundes und leistungsfähiges ( Barhuf-) Pferd.
Gesunde Hufe und Hufbeschlag?
Wer sich intensiv mit Pferdhufe beschäftigt, wird erstaunt sein über die Normalität und Selbstverständlichkeit des Hufbeschlags.
In der Tiermedizin wird Hufbeschlag gar als orthopädische Maßnahme eingesetzt und keineswegs als kontrovers angesehen.
Der Barhuf kommt nur als Ausnahme vor, nur als Randbemerkung im Sinne von "wäre gut, aber geht nicht ..." .
Dabei sind die schädlichen Auswirkungen von Beschlag seit Jahrhunderten bekannt und werden noch in alten Hufschmiedebücher zitiert. Zum Beispiel in
"Der Lehrmeister im Hufbeschlag" von A. Lungwitz, Professor für Hufkunde an der Kgl. Tierärztlichen Hochschule zu Dresden , aus dem Jahr 1884:
"Die beschlagenen Hufe sind mehr Schädlichkeiten ausgesetzt als die unbeschlagenen, denn der Beschlag selbst, obwohl er zum Gebrauche der Pferde auf harten Straßen unbedingt
nötig ist, wirkt nachteilig auf den Huf aus. Er hebt den Hufmechanismus mehr oder weniger auf. Dadurch wird der Blutkreislauf im Hufe verlangsamt, was wieder vermindertes Wachstum des
Hufhornes sowie allmählichen Schwund des Hufes zur Folge hat. "( Seite 109, 17. Auflage, Hannover, 1920 ).
In neueren Hufbüchern fehlen solche Hinweise oder gar ein eigenes Kapitel über die negativen Auswirkungen ( z.B. Rob van Nassau, 2006 ). Wer sich trotzdem informieren will, wird im Buch von H. Strasser "Was spricht eigentlich gegen Hufbeschlag", (2000, 1.Auflage) fündig. Nahe gelegt wird "es geht (auch) ohne" - doch einfach die Eisen nach jahrelangem Gebrauch wegzulassen, wäre zu einfach.
Mittlerweile hat sich das Wissen über den Barhuf durch Forschungen zur funktionalen Anatomie und den Makro- und Mikrostrukturen des Hufes sehr erweitert. Ein Beispiel sind die Ergebnisse der Neurobiologie von R. Bowker: "Structural Morphologies of 'Good’ and 'Bad’ Footed Horses", 2003 .
Sie bestätigen die bereits vor mehr als 100 Jahren gemachten Aussagen.
Werden Hufe beschlagen, hat dies Einfluss auf innere und äußere Hufbereiche ( je früher, umso negativer ist der Einfluss). Innere Gewebestrukturen wie Hufbein, Hufknorpel, Ballen oder Strahlkissen können sich nur schlecht entwickeln.
Über Jahre hinweg wird sich bei andauernd eingeschränkter Hufphysiologie ( verminderte Blutdurchfluss und Stoßdämpfung ) auch die äußere Hufform deformieren.
Für ein gesundes Pferdeleben keine gute Vorraussetzung.